Schellen Sau Tour 2019

Ein Bericht zu 1200 Kilometer aus Sicht unserer einzigen Fahrerin der langen Tour 2019

Gestartet zur 1000-Kilometer-Tour der Schellen Sau sind wir, wie immer, am Frohnleichnamstag, am Donnerstag den 20.06.2019 um 5 Uhr beim Wimmer Wirt am Kellerberg. Quer durch den Bayerischen Wald und die Tschechei, südlich an Prag vorbei und einen Abstecher nach Polen, das war die geplante Hinfahrt der Reise für den guten Zweck. Zurück wieder vorbei an Prag, diesmal nördlich in Richtung Pilsen und wieder über den bergigen Bayerischen Wald zurück nach Wasserburg, wo die Zielankunft für Sonntag, den 23.06.2019 um 18 Uhr geplant war. Die Wetterprognose war gut, zwei Tage Sonnenschein und für die vorausgesagten, gelegentlichen Gewitterregenschauer für den dritten und vierten Tag wurde sicherheitshalber eine Regenjacke eingepackt.

Nachdem sich jeder sein Vorderrad gesucht hatte, ging es bei bestem Wetter, kurz kurz, gleich flott dahin. Dass es eine Tour der Höhenmeter werden würde, wurde uns gleich von Beginn an klar. Schon auf dem Weg Richtung Mühldorf wurde über Gars kein Buckel ausgelassen. Das erste Foto “on-Tour”, ein Bild der Radler unter einem großen Baum in Herzform, passte perfekt zum Zweck der Fahrt. Denn nur, wer das Herz am rechten Fleck hat, ist auch bereit, für eine kleine Spende für den guten Zweck. Die erste Pause in Schönau war schnell erreicht und frisch gestärkt ging es weiter zur Überquerung der Donau in Vilshofen. Ab hier erwarteten uns nun die ersten längeren Anstiege Richtung Röhrnbach, dem Ort der zweiten Pause. Die für jede Etappe geplanten 3 – 4 Stunden Fahrzeit vergingen am Anfang noch wie im Flug. Die Beine waren gut, der Tank noch voll und auch im Kopf ist man noch hochmotiviert. Spätestens ab der dritten Pause, setzt dann aber bei den ersten Fahrern dieses besondere Glücksgefühl ein, wenn endlich wieder die Fahrzeuge des Versorgerteams am Straßenrand auftauchten. Der Magen knurrt und die Beine möchten einfach mal still halten. Das Versorgerteam verwöhnte die Fahrer in jeder einzelnen Pause nach Strich und Faden. Egal ob frische Semmeln und Spiegeleier am frühen Morgen, Geschnetzeltes mit Reis zum Mittagessen, Spaghetti mitten in der Nacht oder Fisch mit Kartoffeln bei strömenden Regen, die Verpflegung war vom Feinsten.

Unerwartet schnell war dann der Grenzübergang in Philippsreut erreicht und schon bald endeckten wir am Horizont die vier Türme des Atomkraftwerkes in Temelin. Dort angekommen, hatten wir bereits über die Hälfte der geplanten Strecke des ersten Tages erreicht. Bei der nächsten Pause hieß es nun Licht montieren und evtl. einen Windstopper einpacken, die erste Nacht-Etappe stand an und besonders die Neulinge bei der Tour freuten sich über dieses besondere Feeling. Wer nimmt schließlich schon um 21 Uhr sein Rad und macht sich auf zu einer 100-Kilometer-Tour? Als dann aber bei stockdunkler Nacht, die Straße mit Löchern übersäht, der Weg oftmals gekreuzt von Fuchs und Reh, das Tempo hoch, auch noch Regen einsetzte, lagen die Nerven blank. Da wurde schon mal ordentlich geschimpft, wenn wieder mal ein nicht zu bremsender, viel zu übermütiger Vorausfahrender über die holprigen, nassen Straßen bretterte und alle dahinter einfach nur noch versuchten irgendwie dran zu bleiben. Umso größer war die Erleichterung, als das Nachtlager heil erreicht wurde. Endlich die Beine ausstrecken, die Augen zu machen und Energie für den nächsten Tag tanken.

Am zweiten Morgen, die Sonne noch versteckt hinter den Regenwolken der letzten Nacht, hieß es schnell wieder aufsitzen und weiter Richtung Tagesziel einem Campingplatz am Hirschbergersee in der Tschechei. Aber bis dahin galt es noch, einen weiten buckligen Weg zurückzulegen. Nach vielen kurzen, kräftezehrenden Anstiegen und holprigen Abfahrten ging es schließlich, gut gestärkt nach einer Frühstückspause mit Spiegeleiern, ewig langgezogen bergauf in Richtung Spindlermühle. An diesem hochgelegen Ort, dem bedeutendsten Wintersportzentrum der Tschechischen Republik, sollten wir auch die polnische Grenze erreichen. Extrem holprig und steil ging es von dort oben auf polnischen Wegen bergab. Hier musste dann der zweite und zum Glück auch der letzte Platten behoben werden. Während der Pechvogel versucht, so schnell wie möglich seinen Schlauch zu wechseln, freuen sich die anderen über eine kleine, unverhoffte Verschnaufpause. Da beide Platten den einzigen Radlmechaniker im Team ereilten, fielen diese aber recht kurz aus. Das war aber auch gut so, denn der Weg war noch weit und wieder einmal ging es, führ das Riesengebirge wohl typisch, viel bergauf. Nach der kurzen Fahrt durch polnisches Gebiet, freuten wir uns auf ein ausgiebiges Mittagessen in Harrachov. Am Fuße einer Skisprungchance auf einer sonnigen Terrasse gönnten wir uns Schnitzel, Palatschinken, Cola und andere erfrischende Getränke. Unserem Versorgerteam hatten wir nach der Frühstückspause für den Rest des Tages freigegeben. Sie durften sich bereits an einem Campingplatz, den auch wir am Abend erreichen sollten, erholen (vermutlich waren sie aber eher mit aufräumen, nasser Kleidung aufhängen, Geschirr spülen und sonstigen Dingen, die unserem Wohlbefinden dienten, beschäftigt).

Nach dieser schönen erholsamen Pause in Harrachov, war die Weiterfahrt richtig zäh, aber als es erst mal wieder rollte, ging es schnell dahin, Richtung Ende zweiter Tag. Diesen wollten wir entspannt an dem idyllisch gelegen Campingplatz am Hirschbergersee ausklingen lassen. Wir erreichten den sonnendurchfluteten, aber schön schattigen, mit hohen Bäumen bewachsenen Campingplatz am frühen Abend. Frisch geduscht aber müde von zwei anstrengenden Tagen auf dem Rad, machten wir uns zusammen mit dem Versorgerteam auf zum Abendessen. Je später die Stunde wurde, desto mehr freuten wir uns alle auf eine lange, erholsame Nacht. Doch die Freude währte nur kurz, die zahlreichen anderen Gäste des Campingplatzes ließen die Nacht zum Tag werden und feierten bis 4 Uhr morgens bei lauter Diskomusik. Naja, sie waren vermutlich auch nicht über 600 Kilometer mit dem Rad angereist. Aber gut, auch das steckten wir irgendwie weg und machten uns pünktlich am nächsten Morgen (der Campingplatz war nun wie ausgestorben und wunderbar still) auf in den dritten Tag der Tour.

Jetzt waren wir langsam aber sicher wieder Richtung Heimat unterwegs. Diese Morgenetappe war wohl eine der schönsten, wir rollten locker dahin, auf leicht welligen Straßen mit gutem Wind und der Sonne im Rücken. So konnte es weitergehen, tat es aber leider nicht. Es dauerte nicht lange und es begann zu regnen. Zum Glück war es aber ein warmer Sommerregen, der uns zwar Nässe aber keine Kälte bescherte. Nässe und eine kleine Schlammschlacht. Führte doch der Weg eine steile Rampe hinauf, an deren Fuß ein Baustellenschild stand. Da kommen wir schon irgendwie vorbei, es war ja nicht die erste Baustelle. Plötzlich aber war der Weg zu Ende und wir schoben unsere Räder einen steilen schlammigen Berg hinauf, mit Blick auf eine große Brückenbaustelle. Links und rechts gab es kein vorbei, also hoben wir unsere Räder durch das engmaschig aufgestellte Baugerüst unter der Brücke, wobei wir unseren schönen Radschuhen noch eine Schlammkur extra gönnten. Drüben angekommen, war an weiterfahren nicht zu denken, der in den Bremsen feststeckende Schlamm machte ein Radumdrehung unmöglich. Zum Glück standen aber dank des Regens genügend große Wasserpfützen zur Verfügung, so dass jeder sich und sein Rad ausgiebig baden und saubermachen konnte. Zur nächsten Rast kamen wir nun etwas verspätet, aber mit einer kurzen knackigen Pause würden wie die Zeit schnell wieder aufholen. Nun ließ sich auch die Sonne wieder blicken und frohen Mutes machten wir uns zuversichtlich auf, immer weiter Richtung nach Hause.

Ein schöner Streckenabschnitt, entlang an einem Fluss und quer durch ein Naturschutzgebiet, wartete auf uns, an das ewige bergauf und bergab hatten wir uns mittlerweile gewöhnt. Nur der Regen, der dann nach und nach wieder einsetzte, auf den hätten wir gut verzichten können. Noch zuversichtlich, dass es sich nur um einen kurzen Schauer handelt, zögerten wir das Anziehen der Regenjacke hinaus. Und als es dann kurze Zeit später wie aus Kübeln schüttete, hatten wir sie zwar an, geholfen hat sie aber auch nicht mehr. Nach Stunden im Regen erreichten wir am Nachmittag völlig durchnässt unser Versorgerteam. Die hatten das Beste aus der Situation gemacht. Ein aufgeheiztes Auto stand zum Aufwärmen bereit, zwischen den anderen beiden Autos war eine große Plane gespannt und einigermaßen trocken konnten wir uns mit einem vorzüglichen Fischgericht und warmer Kleidung wieder stärken und aufwärmen. Das Chaos im Versorgerauto mit dem Gepäck der Fahrer war nun perfekt, überall nasse Trickots, Jacken, Hosen und Socken. Zum Glück hieß es nun aber, wir fahren erst weiter, wenn der Regen aufhört. Da saßen wir nun also und lugten unter der Plane hervor, war irgendwo Sonne in Sicht? Fehlanzeige, zumindest für die nächste Stunde, aber dann, dann hörte doch irgendwann das Prasseln auf der Plane auf. Also auf geht’s, schnell umziehen, rein in die nassen Schuhe und rauf aufs Rad. Mit dieser letzten Etappe an diesem Tag, sollten wir schon wieder die bayerische Grenze erreichen. Zunächst noch trocken und sogar mit ein paar vereinzelten Sonnenstrahlen ging es auf abgelegen Wegen in der Tschechei Richtung Bayerischer Wald. Ein Foto on-Tour, mit dem Titel “Grad nimmer nass geworden” sollte sich aber nicht bewahrheiten, es dauerte nicht lange und der Regen von vor zwei Stunden war wieder voll zurück. Sturzbäche vom Regenwasser begleiteten uns auf den vielen rasanten Abfahrten, bevor es dann schon im Dunkeln die letzten steilen Anstiege hinauf ging, Richtung Rittsteig. Kurz vor diesem Ort, sollte unsere letzte nächtliche Pause sein. Hier wurden wir schon freudig erwartet, die Stimmung war nun richtig gelöst, den nächsten, letzten Tag würden wir alle schon noch irgendwie überstehen. Schnell schlüpften wir in trockene Kleidung, bereiteten unser Nachtlager vor und genossen die leckeren Spaghetti. Kurze Zeit später, verzogen wir uns müde in den Schlafsack um ein paar ruhige, erholsame Stunden zu genießen. Die meisten hatten diese Ruhe dringend nötig, nur ein paar junge wilde aus Radl- und Versorgerteam hielten noch länger durch und ließen es sich nicht nehmen, in der letzten gemeinsamen Nacht ein wenig länger zu ratschen. Vermutlich auch deshalb, um dabei den stark in Anspruch genommenen Flüssigkeitshaushalt wieder ordentlich aufzufüllen.

Der letzte Tag startete zum Glück wieder trocken und wir fuhren schon mit der ersten Abfahrt am frühen Morgen hinaus aus dem Böhmerwald und hinein in den Bayerischen Wald. Es war ein tolles Gefühl, als wir dann die letzten langen Anstiege endlich überwunden und die wohl genialste Abfahrt der Tour, vom Luftkurort St. Englmar, mit wehendem Trikot gemeistert hatten. Nun ging es nur noch leicht wellig weiter bis zur erneuten Überquerung der Donau, dieses Mal bei Bogen. Ein letzter Blick zurück in den Bayerischen Wald und auf ging es zum letzten Treffen mit unserem grandiosen Versorgerteam, das bis zum Schluss keine Mühe scheute und wieder mal ein Frühstück vom Feinsten auf den Tisch gezaubert hat.

Kilometer um Kilometer kamen wir der Heimat näher und waren nun wieder in einer Gegend, die uns bekannt vorkam. Die Route führte uns außerdem noch zu einer echten Sehenswürdigkeit, dem aus Film und Fernsehen bekannten Eberhofer-Krimi-Kreisverkehr bei Frontenhausen. Zeit und Laune ließen es zu, dass wir hier für ein kleines Video gefühlt 25 mal herumfuhren, naja das leichte Schwindelgefühl war mal was anderes und zum Glück schnell wieder vorüber. Jetzt hatten wir noch knappe 100 Kilometer vor uns, wenn alles gut geht, sollten wir locker unser Ziel um 18 Uhr erreichen. Locker ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, nach über 1.000 Kilometern in dreieinhalb Tagen sind mit Sicherheit bei dem einen oder anderen die Beine schwer, die Waden zwicken, der Nacken schmerzt, die Füße sind taub und selbst die Hände tun weh. Und wenn dann auch noch die Schaltung ihren Dienst versagt und man nur noch im großen Blatt treten kann, will man eigentlich nur noch runter vom Rad und rein ins Versorgerauto. So aber nicht unser Radlmechaniker, dem neben den beiden Platten auch dieses Pech ereilte. Der zog es eisern durch und bewältigte die letzten Hügel auch ohne kleines Blatt. Dass wir anderen uns dabei das Lachen nicht immer verkneifen konnten, wenn er wieder in unvergleichlicher Manier an uns vorbeiwürgte, nahm er uns zum Glück in keinster Weise übel. In Vilsbiburg gönnten wir uns noch eine Kaffeepause, außerdem bot sich die Pause dazu an, ein paar dunkle Regenwolken an uns vorüberziehen zu lassen. Auf den letzten Metern über Schwindegg Richtung Gars, kamen wir nochmal in den Genuss, ein paar schöne Buckel zu bewältigen. Und auch von Gars aus, mussten wir nicht den kürzesten Weg nach Wasserburg fahren, unser genialer Streckenplaner bescherte uns noch einen kleinen Umweg über Unterreit Richtung Tötzham. Den letzten Stopp, wir wurden ja auch erst auf 18 Uhr zurückerwartet, legten wir bei der Wirtschaft Reinhart bei St. Leonhard ein. Hier gab es das letzte erfrischende Getränk. Und der Wirt, der selbst schon viele weite Rennradtouren unternommen hat, lies sich gerne von unserer Tour berichten. Schließlich war er es auch, der unseren Streckenplaner überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, nach Polen zu fahren. Dann ein letztes Mal den Helm aufsitzen, aufs Radl steigen, richtig einreihen und die letzten Meter über Babensham zum Kellerberg rollen. Und als wir dort mit lautem Klatschen, von vielen freudigen Gesichtern empfangen wurden, was es plötzlich da, dieses unbeschreibliche Gefühl, das man hat, wenn man nach einer unglaublichen Tour über 1.200 Kilometern und gut 18.000 Höhenmetern wieder gesund zu Hause ankommt. Ein Gefühl, dass man nicht beschreiben kann, dass man aber auf jeden Fall einmal erlebt haben muss.

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